Sonntag, 9. Juni 2019

Bewerber brauchen Selbstbewusstsein - und viel Humor!

Fiktive Bewerbung Tucholskys um eine Ausbildungsstelle

Kurtchen Tucholsky
Im Elchesgrund 3
10001 Berlin


Bleibetreu & Söhne
Buchverlag
Moseltal 8
54382 Trier

Berlin, den heutigen

Betr.: Uns alle

Sehr geehrte Herren Vater und Söhne,

mit diesem Blatt bewerbe ich mich bei Ihnen um eine Ausbildungsstelle zum Verlagskaufmann. Zu Ihrer Erfreuung kann ich Ihnen mitteilen, dass Sie mir nur noch den Verlagskauf beizubringen brauchen, denn ein Mann bin ich bereits.

Meine Wahl fiel auf Ihren Betrieb, weil auch Sie in den Gelben Seiten stehen - auch Sie, meine Herrn! Außerdem ist von allen 20 Trierer Verlagen, die ich mit Bewerbungen behellige, gerade der Ihre im schönen Moseltal zu finden. Und dessen Liebreiz wussten bekanntlich schon die alten (und jungen) Römer zu schätzen.

Sie werden mich vielleicht fragen, ob ich denn auch zum Beruf des Verlagskaufmannes geeignet sei. Und ich werde Ihnen antworten, dass Sie keinen geeigneteren Mann für diese Stelle werden finden können! Schon in jungen Jahren interessierte ich mich für den Kaufmannsberuf und lernte ihn in unermüdlichem Spiel mit meiner Schwester Gunda und der Kusine Lottchen kennen. Auch im Verlegen habe ich schon Großes geleistet, und mein Onkel Hubert pflegt zu sagen: "Wart mal ab, Jung', bis de so alt bist wie icke, dann wird dat noch viel besser werden!" Mein Onkel weiß, wovon er spricht! Er verlegt täglich mindestens drei Sachen so gründlich, dass er sie erst eine Woche später wiederfindet. Kurzum: Ein Talent von meinem Format werden Sie wohl schwerlich ablehnen können!

Auf Ihren positiven Bescheid wartet daher

Ihr zukünftiger Mitarbeiter

Kurt Tucholsky

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